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Interview mit Su Turhan
(Drehbuch, "Der starke Hans")

12. Februar 2021

Su Turhan - Schriftsteller, Regisseur und Drehbuch-Autor - durfte nun zum dritten Mal ein Märchen für die ARD-Reihe "6 auf einen Streich" umsetzen.
Er schrieb für die 13. Staffel das Drehbuch zum Märchen "Der starke Hans".

maerchenfilm.info führte mit Su Turhan ein ausführliches und interessantes Interview. Er verriet u.a. warum man vom gleichnamigen Grimm-Märchen stärker abgewichen ist.

Wie sind Sie zu der Idee gekommen, Drehbuchautor zu werden? Was hat Sie dazu veranlasst?
Gegen Ende des Germanistik-Studiums reifte der Wille im Filmfach mein Glück zu suchen. Ich erkämpfte mir die Chance, bei kleineren Filmproduktionen „mit den Augen zu stehlen“, sprich hinzusehen und zu lernen, was das Filmemachen angeht. Irgendwann war klar, dass es bei mir Richtung Regie gehen würde. Was fehlte, war meine erste Geschichte, ein Drehbuch. Um meinen ersten Kurzfilm zu realisieren, habe ich mich mit der Technik des Drehbuchschreibens beschäftigt. Als Autodidakt. Entstanden ist „Der Schlüssel“, eine Art Alltagskrimi.

Haben Sie sich auf ein bestimmtes Genre spezialisiert?
Nein, gar nicht. Von Komödie bis Thriller habe ich so ziemlich alles geschrieben. Natürlich tendiert man als Autor zu Genres, die einem liegen, zu denen man einen Zugang hat. Für mich zählt letztlich das Erzählen, das Einbinden der Figuren. Das ist genreübergreifend vonnöten.

Was mögen bzw. reizt Sie an Ihrem Job als Drehbuchautor?
Das Erfinden. Das Schaffen. Das Kreieren und lebendig machen einer Idee, die im Kopf entsteht. Was ich mich auch sehr reizt ist, wie z.B. für Fernsehen, mich in bestehende Formate und Charaktere hineinzuversetzen und für diese passende, neue Storys zu entwickeln.

Gibt es bestimmte Herausforderungen, auf die man sich als Drehbuchautor einstellen sollte?
Herausforderungen gibt es ständig. Als Drehbuchautor ist man vielen Kräften ausgesetzt, die Einfluss auf die Arbeit haben. Angefangen von der eigenen Befindlichkeit, von Menschen, die mitreden, von der Suche nach einer guten Lösung, wenn’s hakt.

Wie sieht ein typischer Schreibtag als Drehbuchautor aus?
Etwa um 9 Uhr geht’s los. Geregelte Mittagszeiten habe ich nicht Ende ist offen. Nach der Tagesplanung, die ich mit mir selbst bei Kaffee und Zigaretten abhalte, setze ich mich an den Schreibtisch. In der Regel arbeite parallel an zwei, maximal drei Geschichten (Romane schreibe ich ja auch). Je nach Entwicklungsstadium und Anforderungen, wie Abgabetermine, überarbeite ich oder schreibe neu.  

Haben Sie bestimmte Bilder im Kopf, wenn Sie am Drehbuch schreiben?
Auf alle Fälle. Ich mag das visuelle Erzählen und versuche Bilder zu Papier zu bringen, die das beim Zuseher auslösen, was für die Geschichte oder Charakterzeichnung wichtig ist. Da ich auch Regie führe, habe ich meist genaue Vorstellungen.

Wie entstand die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der ARD für den Märchenfilm „Der starke Hans“?
Aufgrund der wirklich fruchtbaren und angenehmen Arbeit an „Jungfrau Maleen“ mit TV60 Film und der BR-Redaktion, wurde ich gefragt, ob ich nicht bereit wäre, noch ein Märchen zu schreiben. Das wollte ich und wie.

Wie entstand die Idee zur Verflimung von „Der starke Hans“?
Der Vorschlag kam letztlich aus der Redaktion, nachdem wir gemeinsam überlegt haben, welcher Stoff in Frage kommen könnte.

Kannten Sie zuvor das Original-Märchen und wenn ja, wie finden Sie es?
Nein, das kannte ich nicht, obwohl einem der Titel irgendwie bekannt vorkommen konnte. Viele Märchen drehen sich um einen „Hans“. Das Märchen ist schnell gelesen, relativ kurz. Was bei der ersten Lektüre ins Auge stach war die mystische Kraft, die vom Leidensweg des kleinen Hans bis zum starken Hans und der Eroberung der Prinzessin ausging.

Als Sie von der Idee bzw. Produktion erfuhren, hatten Sie da schon Ideen im Kopf wie der Film aussehen könnte?
Offen gestanden nicht, denn erst musste ich das Märchen zu einer Filmgeschichte adaptieren. Mit der Zeit und der Beschäftigung mit Stoff und Figuren kommen die visuellen Umsetzungsvorstellungen aber automatisch.

Was war für Sie das Anspruchvollste beim Schreiben und Konzipieren des Drehbuchs zum „starken Hans“?
Insgesamt war es eine Herausforderung, die Grimm’sche Vorlage zu adaptieren. Mir war wichtig, dem wirklich handfesten Titel gerecht zu werden, ohne eine Hau-Drauf-Story zu erzählen. Den Kern des Märchens zu erfassen und diesen in eine passende Handlung zu bringen war wohl das Anspruchsvollste.

Wie lang hat es gedauert bis das Drehbuch zum „starken Hans“ fertig war?
Von Idee bis kurbelfertiges Drehbuch, dem shootin script, rund ein Jahr.

Warum hat man sich von der Original Vorlage der Brüder Grimm so weit entfernt?
Weil das Märchen nicht sparsam ist mit Brutalität und Gewalt. Das haben wir entschärft, allein schon wegen des Programmplatzes im Fernsehen. Hans mit seiner Stärke (und dem Knüttel, einem Stock) sorgt für die Lösung seiner Aufgabe. Stattdessen habe ich andere Konflikte generiert. Problematisch war das Fehlen einer weiblichen Figur, mit der sich der Zuschauer - wie mit Hans - identifizieren kann. Da kam – wie bei Märchen üblich und richtig - die Prinzessin ins Spiel, die als Randfigur am Ende der Vorlage auftaucht. Sie ist von Anfang an in das Abenteuer eingebunden. Keine typische Adlige allerdings. Sarah ist eine junge, freche, kluge Frau, die Hans in nichts nachsteht

Was war der Grund warum eine ganz andere Geschichte entstand?
Ausschlaggebend war die veränderte Figurenkonstellation und die angepasste Zeichnung der Hauptfigur zu einem jungen Mann aus Fleisch und Blut. Hans brauchte eine Sarah, um seine Stärke unter Kontrolle zu halten. Trotz Standesunterschied wollten wir sie, angedeutet zumindest, zu einem Paar werden lassen.

Warum wird im Film „Der starke Hans“ so wenig auf die Titelfigur eingegangen? Viel mehr liegt der Fokus auf Prinzessin Sarah. Ist es ein Bild unserer heutigen Gesellschafft?
Im Sinne einer gleichberechtigten Herangehensweise kann man das so verstehen. Märchen in unserer Zeit zu erzählen, verlangt die Einbindung aktueller gesellschaftlich Themen. Sonst haben die Erzählungen nichts Frisches oder Modernes.

Welche Bedeutung haben die zwei Waldschrate im Film?
In der Vorlage kommen diese Figuren vor. Aber in einer ganz anderen, recht dunklen Funktion. Klipperer und Dreher sollen in der filmischen Umsetzung Freude machen, die Menschen zum Lachen bringen. Das ist die eine Funktion. Gleichsam sind sie dramaturgisch gesehen Helfer. Allerdings – wankelmütig und naiv wie sind – helfen sie mal Gut und mal Böse.

Haben Sie eine Lieblingsfigur und warum gerade diese?
Hans und Sara sind natürlich meine Lieblinge, klar. Die beiden sind schon ein fantastisches Duo. Doch da gibt’s den Barbier des Grafen Konrad. Er stammt aus dem Orient, gewissermaßen das Alter Ego des Autors. Die Figur habe ich – liebe Brüder Grimm bitte verzeiht – erfunden.

Welche Szene im Film fanden Sie im Schreibprozess besonders spannend?
Ich bin ein Autor, der auf Handlung setzt und visuelle Vorstellungen hat, die sich in teilweise detailfreudigen Beschreibungen äußern. Ähnlich wie bei meinen Romanen wollte ich meine Vision teilen. Viele lesen so ein Drehbuch ja nicht. Letztlich die umsetzenden Menschen. Von Redaktion, Produktion, Regie, Schauspieler bis zum Team am Set. Diesen Lesern meine Vision zu vermitteln war sehr spannend. Das Skript ist wie eine Partitur. Diejenigen, die diese Partitur zum Leben erwecken, entscheiden mit ihrer Kreativität mit.

Für welche Zielgruppe wurde dieser Märchenfilm produziert?
Ganz klar von jung bis alt, von 2 bis 102. Die ganze Familie sollte zuschauen können und sich gut unterhalten fühlen.

Welche Moral steckt im Märchenfilm „Der starke Hans“?
Stark sein ist nicht alles.

Welches der drei Märchen „Die drei Federn“, „Prinzessin Maleen“ und „Der starke Hans“ war für Sie beim Drehbuch schreiben am interessantesten?
Das kann ich nicht gut beantworten. Für mich ist immer das Projekt, das mich aktuell beschäftigt, das Interessanteste. Ich träume von den Figuren, spreche, streite, lache mit ihnen, bin in Gedanken in den fantastischen Welten, die ich erschaffen darf.

Zu welchen Märchen würden Sie gern ein Drehbuch verfassen?
Tatsächlich habe ich derzeit ein Märchen, das mich so sehr in den Bann gezogen hat, dass ich dafür einen Stoffvorschlag skizziert habe. Wenn ich das schreiben darf, geht ein Traum in Erfüllung. Sollte das Go kommen, gebe ich maercheninfo gerne Bescheid.

Oftmals werden ja die Neuverfilmungen sehr kritisiert. Man findet sie oft zu kitschig, zu modern, sie hätten keinen Charme etc. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Pauschal kann ich das nicht sagen. Kommt natürlich auf das Werk an. Jeder hat das recht zu kritisieren, etwas gut oder schlecht zu finden. Was mich stört sind Adaptionen, die den Zuschauer, insbesondere die jüngeren, nicht ernstnehmen.

Wie stehen Sie generell zum Thema „Gewalt im Märchen“?
Wenn Gewalt aus dramaturgischen Gründen notwendig ist, wenn sie Teil der Handlung und Geschichte sein muss, sollte sie auch einen Platz finden dürfen. Die Darstellung von Gewalt, gerade in Märchen, ist diffizil und Bedarf genauer Überlegungen.

Wir bedanken uns für das märchenhafte Interview.

Foto: Regina Recht

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