Sluraff ist ein mittelhochdeutsches Wort, das Faulenzer bedeutet – davon soll das deutsche Wort „Schlaraffenland“ herstammen.
Woher das Motiv des Landes kommt, in dem man trotz Faulheit im Überfluss an Köstlichkeiten und Kostbarkeiten lebt, ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Quellen weisen bis in die Antike zurück, als griechische Dichter bereits Motive des Schlaraffenlandes beschrieben. Auch im Buch Mose finden sich Anspielungen. Und natürlich auch im deutschsprachigen Raum beim Dichter Sebastian Brant in dessen Text vom Narrenschiff aus dem 15. Jahrhundert.
Die ARD verfilmte im Jahr 2015 das Motiv des Schlaraffenlandes als Märchenfilm neu. Einerseits basiert dieser Film auf einem Gedicht von Hoffmann von Fallersleben, der die deutsche Nationalhymne schrieb. Andererseits stammen Motive wie berghohe Mauern aus Reisbrei, die man erst durchfressen muss, um ins Schlaraffenland zu gelangen oder der Blinde, der einem den Weg ins Schlaraffenland weist, aus der Feder des Ludwig Bechstein.
Der Film selbst setzt die Verzweiflung von Armut in der Welt, inszeniert in den düsteren, kalten Farben einer hessischen Kleinstadt, in einen faszinierenden Gegensatz zur schrillen, magischen Welt des Schlaraffenlandes. Gerade weil im Schlaraffenland alles möglich ist, erscheint dort dem armen weltlichen Menschen das im Diesseits Unmögliche mit der Zeit gar nicht mehr wichtig: So ist die Bedeutung des Goldes im Schlaraffenland schon lange keine wertvolle mehr und ein Jungbrunnen, der Alter und Krankheit korrigiert, wird zum alltäglichen Bad. Durch das Fehlen menschlicher Nöte machen Lethargie und Langweile den Menschen einfältig, ja gar leb- und lieblos. So wirken die Menschen im Schlaraffenland wie automatische Spielfiguren, was nicht nur anhand der Metapher des Herrn „Debreziner“ im Film eindrücklich vermittelt wird.
Aber auch intermedial ist der Film sehr kunstvoll geworden: Man erinnere sich beispielsweise an das Gemälde von Pieter Brueghel aus dem Jahre 1567, in dem am rechten oberen Bildrand ein Neuankömmling aus den Wolken ins Schlaraffenland fällt, wie es auch Paul (Björn Ingmar Böske) widerfährt, der sich schließlich in „Pralina“ (Klara Deutschmann) verliebt, die schon immer im Schlaraffenland gelebt hat, denn ihr Vater ist schließlich der König über Schlaraffenland. Aber eigentlich ist Paul ja nicht deshalb hier, um ein Leben in Saus und Braus zu führen, sondern um das Leben seiner kleinen Schwester zu retten, die krank ist und dringend Medizin braucht. Allerdings reicht das Geld der Familie nicht aus, um Medizin zu kaufen, und so will Paul kurzerhand ins Schlaraffenland, um dort Geld zu beschaffen. Die Existenzängste von Paul kennen die Schlaraffenland-Einwohner jedoch nicht, wodurch ihnen auch humane und spirituelle Werte völlig fremd sind – selbst das Leben, das kostbarste Geschenk auf Erden überhaupt, ist im Schlaraffenland nicht mehr als nur ein Honigschlecken, und gibt es überhaupt so etwas wie den Tod dort? Armut, Krankheit und Not kennt das Schlaraffenland jedenfalls ganz sicher nicht. Und gerade weil diese für uns negativen Aspekte des Lebens im Schlaraffenland fehlen, ist dieses Land ein unmenschliches Niemandsland. Ob Paul und Pralina diesem Niemandsland entkommen werden, um Pauls arme Familie von ihrer Not zu erlösen?
„Das Märchen vom Schlaraffenland“ ist ein lehrreicher, kunstvoller Märchenfilm, voller traumhafter, aber auch lustiger Motive für Kinder und Erwachsene. Er bietet nicht nur Einblicke in tiefgründige Themen, sondern auch spannende Unterhaltung mit höchst sympathischen Darstellern.
13.05.2017
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