Es ist gewiss eine Seltenheit, dass ein Sender sich an ein unbekanntes, noch nie verfilmtes (nicht von Grimm stammendes) Märchen heranwagt wie "Himmelblau und Lupine" – umso erfreulicher mutet es an, sich mit dem Stoff eines großen Autors und Denkers wie Christoph Martin Wieland einmal filmisch auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang ist es wohl angebracht, sich in einem ersten Schritt mit dem Ursprung der verfilmten Geschichte selbst auseinanderzusetzen.
"Himmelblau und Lupine" ist eine Liebesgeschichte. Das Märchen ist enthalten im sog. Dschinnistan, einer Geschichtensammlung, die Wieland Ende des 18. Jahrhunderts herausgab und die Feen- und Geistermärchen enthält.
Im Märchen von Wieland steht eine Fee namens Lupine im Mittelpunkt, die durch den Fluch eines Zauberers an einigen Tagen schön ist, aber dafür böse im Herzen; an anderen Tagen ist sie wiederum gutmütig, jedoch von hässlicher Gestalt. Ebenso verflucht ist der Prinz Himmelblau. Die beiden sind sich einander in Liebe zugeneigt, jedoch ist Lupine immer dann schön und herzlos, wenn der Prinz hässlich und gutmütig ist und umgekehrt, sodass ihre Herzen nie zueinander finden können. Einer Fee namens Confidante imponiert die Hartnäckigkeit des Himmelblau, der in seiner hässlichen Gestalt immerfort an der Hoffnung auf Liebe zu Lupine festhält, und sie macht ihm Avancen. Dies schürt die Eifersucht der schönen, aber kaltherzigen Lupine, die daher zunächst nur so tut, als würde sie dem hässlichen Himmelblau entgegenkommen, und sich dabei tatsächlich immer mehr in ihn verliebt, woraufhin sich seine Hässlichkeit zu vermindern beginnt. Auf der Gegenseite wird der schöne, aber herzlose Himmelblau eines Tages von einer Räuberbande mit einem giftigen Pfeil schwer verwundet, woraufhin die herzensgute, aber hässliche Lupine all ihren Mut und ihre Liebe zusammennimmt und das Gift aus der Wunde saugt, so sehr sich der kaltherzige Himmelblau auch dagegen sträubt. In diesem Augenblick erhält auch der hochnäsige Himmelblau eine Seele; er hört auf, gefühllos zu sein – wie die schöne Lupine aufgehört hat, herzlos zu sein. Sie erkennen endlich gegenseitig ihre große Liebe, womit die Botschaft, dass Liebe schön und geistvoll macht und dadurch schwerer wiegt als natürliche Schönheit, ihr gutes Ende findet.
Soweit die Vorlage. Regisseur Markus Dietrich setzt das Märchen mit einigen Veränderungen zum Text um: So sind Himmelblau und Lupine nicht von Anfang an verzaubert und man bekommt mit, wie sie sich ineinander verlieben, was sehr schön ist.
Die Königin, die Mutter von Himmelblau, wünscht jedoch keine Fee an der Seite ihres Sohnes, weil sie sich eine wohlhabende Prinzessin für ihn aussuchen will. Was sie zudem so sehr gegen die Feen an sich abstößt, bleibt aber im Dunkeln. Confidante, die Fee im Originaltext, ist im Film eine verbannte Hexe, mit deren Hilfe die Königin Himmelblau und Lupine auseinanderbringen will. Confidante ist es auch, die die beiden mit dem fürchterlichen Fluch aus dem Originaltext belegt: Himmelblau bekommt ein kaltes Herz und Lupine ein hässliches Äußeres. Vorerst triumphiert die Hexe, da Himmelblau Lupine verstößt. Der Bann wechselt von da an jede Nacht, sodass die Geliebten nie zueinander finden. Wie die beiden schließlich doch noch ihre Liebe füreinander entdecken, sei an dieser Stelle aber nicht verraten.
Der ARD ist eine gelungene Verfilmung des Märchens gelungen, die sich weitestgehend an das Original von Wieland hält. Die Handlung fließt wesentlich schneller dahin als im schwer formulierten Originaltext, was dem Film zusätzlich mehr Dichte verleiht und keine Langatmigkeit aufkommen lässt. Die Schauplätze, Bremen, Schwanewede und Burg Falkenstein in Sachsen-Anhalt, verleihen dem Film eine zauberhafte, heitere, aber an manchen Stellen auch sehr düstere Atmosphäre. Der Film ist sowohl für Erwachsene, als auch für Kinder geeignet, da die Hexe (Friederike Kempter) nicht gruselig anmutet und an manchen Stellen gar lustig bzw. tollpatschig agiert. Die Schauspieler von Himmelblau (Jonathan Berlin) und Lupine (Ruby O. Fee) vermitteln eine lockere, liebenswürdige Darstellung ihrer Rollen, verleihen aber auch der Tragik der ersten zerbrochenen Liebe eine authentische Ausdruckskraft, die nicht übertrieben anmutet. Zu schwierig ist der Film vielleicht für kleinere Kinder, da die Handlung doch ein stärkeres Einfühlungsvermögen erfordert, welches in die Tiefe geht und dadurch womöglich noch etwas zu komplex ist.
23.05.2017
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