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Das kalte Herz: 70 Jahre Film-Jubiläum
30. November 2020

Eine Filmgeschichte des Märchens

Das berühmte Märchen "Das kalte Herz" ist mittlerweile fast 200 Jahre alt. 2020 aber jährt sich das 70jährige Jubiläum des DEFA-Klassikers, der 1950 gedreht wurde. Anlässlich dieses Jubiläums zeigte der MDR am 28. November 2020 im Abendprogramm sowohl den DEFA-Klassiker von Paul Verhoeven aus dem Jahr 1950 als auch die Neuverfilmung von Johannes Naber (2016).
Zurückgehend auf die literarische Vorlage entstand das Märchen in der Epoche der Romantik und wurde von Wilhelm Hauff (1802-1827) verfasst. Prägend für das Märchen war damals die Frage nach dem sozialen Status des Menschen: Anfang des 19. Jahrhunderts führte die Industrialisierung in Deutschland zu einer Wirtschaftsdepression. Viele traditionelle Gewerbezweige wurden durch die industrielle Konkurrenz vom Markt gefegt. Peter Munks Sehnsucht ist als Wunsch nach einem sozialen Status in dieser Zeit zu verstehen, die bürgerliche Schicht entsteht, der Beginn des Fernhandels ist eingeläutet.

Erstmals wird das Märchen 1924 verfilmt, von Fred Sauer. Es folgt eine Umsetzung im Jahre 1933 von Karl Ulrich Schnabel. Aufgrund der politischen Ereignisse kann dieser Film aber nicht fertiggestellt werden. 83 Jahre später, im Jahr 2016, wird das Werk dann endlich vollendet. Es feierte seine Weltpremiere am Neuchâtel International Fantastic Film Festival.

1950 verfilmt Regisseur Paul Verhoeven "Das kalte Herz" – als ersten Farbfilm der DEFA. Dieser Film besticht durch liebevolle, festliche, naturnahe Bilder und wirkt zuweilen wie aus einem Heimatroman ausgeschnitten. So wird das romantische Konzept, dass die Natur die Stimmung der Situation und des Protagonisten wiedergibt, in den Film aufgenommen, etwa wenn Unsicherheit und Bedrohung durch die Industrialisierung in den unheimlichen Situationen im Zauberwald dargestellt werden. Lutz Moik spielt den Peter Munk leidenschaftlich und gefühlvoll, aber auch sehr sensibel. Hanna Rucker verkörpert die stets liebevolle und anmutige Lisbeth.

Im Jahre 1978 verfilmt das ZDF das Märchen sogar als sechsteilige deutsche Fernsehserie – der Stoff ist bereits in dieser Zeit sehr populär. Auch in der UdSSR gibt es eine Umsetzung im Jahre 1981: Der Film "Märchen in der Nacht erzählt" kombiniert die Märchen "Das kalte Herz" und "Das Wirtshaus im Spessart".

2014 wagt sich das ZDF an eine Neuverfilmung. Marc-Andreas Borchert führt Regie. Der Film hält sich ähnlich streng an die Vorlage wie die DEFA; allerdings ist er sparsamer, was Handlung und Gefühl angeht. Die ganze Zeitlang hat man den Eindruck, dass der Film durch kühlere Farben distanzierter wirkt als in der liebevoll ausgeschmückten DEFA-Fassung. Hervorzuheben ist, dass Peter Munk (Rafael Gareisen hat optische Ähnlichkeit mit dem damaligen Lutz Moik) gekonnt gemein, kalt und arrogant dargestellt wird, nachdem er sein Herz verkauft hat.

Anders sieht das in der Kinoverfilmung von 2016 aus – diese Version von Johannes Naber stellt weniger die poetisch-romantischen Fragen in den Vordergrund, sondern verfährt freier: Der Schwarzwald gleicht einem kleinen Fantasyepos mit indigen aussehenden Waldgeistern. Der Holländer-Michel erhält eine Vorgeschichte: Aus Gier hat er sich selbst das Herz herausgeschnitten und durch einen Stein ersetzt. Er wird durch Moritz Bleibtreu viel unheimlicher und gewalttätiger dargestellt als in den beiden anderen Filmen, wodurch diese Version weitaus gruseliger wirkt. Dies ist auch daran erkennbar, dass die vom Holländer-Michel gesammelten Herzen der geizigen Menschen aus dem Schwarzwald von Käfern, Maden und Schlangen zerfressen werden und der Holländer-Michel seine Messer wetzt, wenn er jemandem das Herz aus dem Leib schneiden will. Dadurch ist der Film für Kinder unter zwölf Jahren nicht geeignet.

Jedoch wird der herzlose Peter Munk von Frederick Lau weniger arrogant und böse dargestellt als ihn Lutz Moik und Rafael Gareisen verkörperten. Auch dies ist erfrischend anders, sodass Lau durchaus Sympathie ausstrahlt. Henriette Confurius ist als Lisbeth zu sehen: Sie spielt ihre Rolle nicht so sensibel und gehorsam wie Hanna Rucker oder Laura Garde, was man daran erkennt, dass sie sich keinerlei weiblichen Rollenklischees unterwirft. Viel freier und unbestimmter setzt sie sich für ihre persönlichen Werte und Wünsche ein und versagt Peter Munk sogar die Heirat, sollte er sich nicht bessern. Am Ende wird der Holländer-Michel nicht überlistet, sondern Peter erlangt sein Herz durch Gewalt zurück.

Während sich sowohl die Verfilmung der DEFA und jene des ZDF sehr an die literarische Vorlage von Wilhelm Hauff halten, gestattet sich der Kinofilm von 2016 mehr Gestaltungsfreiheiten. Doch nach wie vor ist das Märchen vom Köhler, der sein Herz verkauft, populär – zeitlos wie Goethes Faust; der seine Seele an Mephisto verschenkt.

Die Website www.maerchenfilm.info erhob 2019 eine Umfrage unter Märchenfans, welche Filmversion von "Das kalte Herz" am meisten Gefallen finde. Die Umfrage startete am 31.07.2019 und endete am 23.08.2019.

Zur Auswahl standen:

1. Das kalte Herz (2016)
2. Das kalte Herz (DEFA) (1950)
3. Das kalte Herz (1978)
4. Das kalte Herz (ZDF) (2014)
5. Das kalte Herz (1933 – 2016)

Ergebnis:

Platz 1: Das kalte Herz (DEFA) (1950) (25 Stimmen)
Platz 2: Das kalte Herz (ZDF) (2014) (8 Stimmen)
Platz 3: Das kalte Herz (2016) (5 Stimmen)
Platz 4: Das kalte Herz (1978) (0 Stimmen)
Platz 5: Das kalte Herz (1933 – 2016) (0 Stimmen)

Text: Marcel Zischg
Fotos: DEFA Stiftung, Weltkino Filmverleih, ZDF / Sandra Bergemann, daskalteherz.com

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