|
Märchenhaftes Interview mit dem Komponisten Marian Lux
10. Mai 2020
Marian Lux lebt und arbeitet als Filmkomponist und Pianist in Berlin. Er vertonte einige Märchenfilme der ARD-Reihe "6 auf einen Streich" wie z.B.: "Das singende, klingende Bäumchen", "Die Galoschen des Glücks" oder auch "Die zertanzten Schuhe".
Sie sind ein leidenschaftlicher Komponist. Wie kam es dazu?
Als ich etwa 17 Jahre alt war, besuchte der Hollywood Komponist Hans Zimmer mein Musikgymnasium in Berlin. Ich war damals schon ein großer Filmmusikfan. Wir kamen ins Gespräch und als er zurück in L.A. war, bat er mich, ihm Musiken von mir zu schicken. Diese haben ihm sehr gut gefallen und er bestätigte mich in dem Vorhaben, Filmmusik zu studieren. Das tat ich und habe schnell meine ersten Filmangebote bekommen.
Was macht für Sie den besonderen Reiz und die Faszination am Komponieren aus?
Man teilt als Komponist einen großen Teil seiner Gefühlswelt mit dem Publikum. Deshalb kann auch nicht jeder Komponist alles. Ich zum Beispiel würde mich als einen ziemlich emotionalen Menschen bezeichnen, mit einem Hang zum Kitsch (und das sei hier positiv gemeint). Und deshalb bin ich wohl vor allem bei Märchen gut aufgehoben.
Wie kann man sich die Arbeit am Komponieren vorstellen? Sieht man zuerst den Film oder haben Sie schon vorher Ideen wie die Musik sein könnte?
Die ersten Ideen habe ich schon beim Lesen des Drehbuchs. Aber das meiste entsteht tatsächlich erst, nachdem der Film geschnitten ist. Dann kommt meine Arbeit. Manchmal benötigt man allerdings auch schon Musik für den Dreh. Zum Beispiel bei den “Galoschen des Glücks”. Da gibt es eine große Tanzmusik. Die musste schon vorher fertig sein, weil natürlich auf meine Musik getanzt werden sollte.
Wie enstehen Ihre musikalischen Werke? Woher beziehen Sie Ihre Ideen und Inspirationen dazu?
Ich denke vorwiegend aus meinem Leben. Ich versuche neben meiner Arbeit noch viel zu reisen und zu sehen. Und ich habe sehr viel Umgang mit Menschen. Auch wegen meiner Arbeit als Pianist auf der Bühne. Ich sage immer: “Ohne Input gibt es keinen Output”. Und wenn man an den Punkt kommt, dass die Kreativität nachlässt, dann sollte man dringend eine Pause machen, um wieder “Input” zu sammeln.
Wie viel Arbeit und Zeitaufwand steckt hinter so einem Werk?
In der Regel um die 1 1/2 Monate. Und dann muss man sich schon ranhalten. Gerade im Märchen gibt es ja meist viel Musik, und die muss erstmal geschrieben werden.
Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Komponisten aus?
Ich freue mich immer unglaublich, wenn ich Nachrichten von Menschen bekomme, die meine Musik in Filmen mögen. Das heißt für mich, ich habe einen guten Job gemacht. Am Ende des Tages zählt das Publikum. Für eben dieses komponiere ich die Musik.
Wer entscheidet, wann bei einer Szene Musik hinterlegt werden soll oder nicht?
Das ist meistens eine Entscheidung zwischen Regisseur und Komponist. Am Ende entscheidet der Regisseur, aber der Komponist kann natürlich immer Vorschläge machen und es dann mit dem Regisseur diskutieren. Es gibt das berühmte Beispiel mit der Duschszene von “Psycho”: Hitchcock wollte die Szene stumm lassen. Ohne Musik. Bernard Hermann allerdings schrieb dann die berühmte Musik dazu und Hitchcock war so begeistert, dass er sich umstimmen ließ. Und der Rest ist Film- und Filmmusikgeschichte.
Früher wurden oftmals die Filmmusiken mit großen Orchestern eingespielt. Wie ist das heute? Wie handhaben Sie es? Stammt Ihre Musik aus dem Computer oder doch mit echten Musikern?
Teils teils. Für mich ist es immer sehr sehr wichtig, dass ich mit echten Musikern arbeite. Gerade für Märchen. Denn Märchen sind Emotionen. Und Computer kann eine Menge heutzutage, aber keine Emotionen. Und wieder die “Galoschen”…
Da geigt ja unser falscher Prinz die ganz Zeit. Das ist alles echt von einem Geiger aufgenommen. Und auch die vorher beschriebene Tanzsequenz ist mit echten Streichern eingespielt. Und deshalb wirkt sie auch so stark. Wenn immer das Budget da wäre, würde ich alles mit Orchester aufnehmen...
Sie haben ja nun bereits sechs Märchenfilme („Brüderchen und Schwesterchen“, „Die kluge Bauerntochter“, „Die zertanzten Schuhe“, „Das singende, klingende Bäumchen“, „Das Wasser des Lebens“ und „Die Galoschen des Glücks“) mit Ihrer tollen Musik vertont. Welcher dieser sechs Filme war für Sie am interessantesten und warum?
Jeder der Filme war für mich auf seine eigene Weise ganz besonders!
“Brüderchen und Schwesterchen” und “Das Wasser des Lebens” waren besonders, weil ich sie tatsächlich mit Orchester aufgenommen habe. Bei der "klugen Bauerntochter" spiele ich selbst mit in der Szene, wo Anna Maria Mühe tanzen lernt, sitze ich mit einer Riesenperücke hinten am Cembalo. Das war schon besonders!
“Das singende klingende Bäumchen” war für mich besonders, weil es der Lieblingsfilm meiner Mama ist und den musste ich natürlich gut machen ;-)
“Die zertanzten Schuhe” ist wie ich finde ein besonderes Juwel unter den Märchenverfilmungen.
Und bei den "Galoschen" hatte ich einen Riesenspaß mit unserem Geiger!!!
Haben Sie von den sechs Märchenfilmen einen Favoriten und warum gerade dieser?
“Die zertanzten Schuhe”, aber einfach, weil ich das Märchen und die Umsetzung sehr sehr schön finde!
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der ARD? Wie wurde diese auf Sie aufmerksam?
Die Produktionsfirma Studio TV aus Berlin hat mir meinen ersten Märchenfilm ("Brüderchen und Schwesterchen") angeboten. Und das lief dann so gut, dass ich mehr machen durfte.
Beschreiben Sie uns mal Ihre Emotionen und Gedanken, die Sie hatten, als Sie zum ersten Mal Ihre Musik in einem Film gehört haben.
Oh, da war ich ganz aufgeregt. Viel schlimmer als bei einem Konzert, weil man ja nichts mehr machen kann. Man hat schon alles aus der Hand gegeben und ist der Ausstrahlung “ausgesetzt”. Aber ich war auch ein bisschen stolz ;-)
Gibt es spezifische Unterschiede beim Komponieren eines Märchenfilms im Vergleich zu anderen Film-Genres?
Ich denke, in der Regel kann ein Märchen sehr viel Musik vertragen. Einen "normalen" Film kann man schnell mit zu viel Musik überladen. Bei Märchen ist das eher nicht so. Schon wegen der bunteren Bilder und der bunten Kostüme. Alles ist eher fiktiv. Man wird in eine andere Welt transportiert. Und was kann das besser, als Musik...
Gibt es ein Märchen, welches Sie sehr gern einmal vertonen möchten?
“Dornröschen” ist da auf jeden Fall zu nennen. Aber ich hatte das große Glück, es als Musical zu vertonen. Vor 2 Jahren bei den Brüder Grimm Festspielen Hanau und dann am Deutschen Theater München.
Was sind Ihre Zukunftspläne?
Ich möchte so viele Märchen wie möglich vertonen. Denn ich glaube, dass ich da viel zu geben habe.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das märchenhafte Interview.
Und ich mich ebenso.
Fotos: Fabian Böhle, Marian Lux
|