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Märchenhafter Chat mit Irene Wellershoff: Chatprotokoll
18. Januar 2018
Irene Wellershoff bedankt sich zu Beginn für die beiden Rezensionen von Marcel Zischg zu den neuen ZDF-Verfilmungen „Rübezahls Schatz“ und „Der Zauberlehrling“. Ein Chatteilnehmer meint, dass er v.a. von „Rübezahls Schatz“ sehr begeistert gewesen sei. Frau Wellershoff entgegnet, dass Rübezahl auf einem Sagenkreis basiere und im Film nicht im Mittelalter spiele, sondern im 18. Jahrhundert.
Rick Krawetzke stellt eine inhaltliche Frage zum Film „Der Zauberlehrling“: Als der Zauberlehrling und die Schwester der Versteinerten im Brunnen sind, entdecken sie einen Stein und im nächsten Augenblick sind sie plötzlich im Reich der Hüterin – ist der Brunnen also eine Art fantastisches Tor? Wellershoff entgegnet, dass es im Brunnen eine Tür ins Reich der Hüterin geben soll, diese konnte aber nicht direkt abgebildet werden, sondern man müsse sie sich im Geiste vorstellen. Wellershoff erklärt zudem, dass die Rakotzbrücke das Tor zur magischen Welt gewesen sei, aber es noch ein weiteres Hindernis gegeben hätte, um zur Hüterin zu gelangen. Auf die Rakotzbrücke hatte Rick Krawetzke aufmerksam gemacht, sodass diese im Dreh des Films „Der Zauberlehrling“ eingebaut worden war.
Eine andere Frage, die von einigen Chatteilnehmern an Frau Wellershoff gerichtet wird: Warum entschied sich das ZDF für die Verfilmung der Märchen „Rübezahl“ und „Der Zauberlehrling“? Zum „Zauberlehrling“ antwortet Frau Wellershoff, dass das ZDF bis dato noch keine Stoffe mit Zauberern gemacht hatte und dieses Thema zur Verfilmung dadurch reizvoll fand, v.a. die Umsetzung der Motive des Kampfes von Gut gegen Böse oder auch zwei Zauberer, die im Kampf gegeneinander antreten. Außerdem hätte man hier einmal eine Stadt zum Drehort gewählt. Marcel Zischg merkt an, dass das grundlegende Motiv der Überheblichkeit und des Machtrausches, das sich auch in Goethes Ballade zeigt, im Film gut umgesetzt worden wäre. Allerdings würde er sich auch einmal eine Verfilmung von einem Brentano-Märchen wünschen. Dazu antwortet Frau Wellershoff, dass das ZDF von Brentano schon viel gelesen habe, aber nichts gefunden hätte, was für eine Verfilmung geeignet gewesen wäre. Frau Wellershoff informiert zudem darüber, dass der Film vom Zauberlehrling im späten Mittelalter spiele.
Ein Chatteilnehmer richtet eine inhaltliche Frage zum „Zauberlehrling“ an Frau Wellershoff: Warum zerfällt der zu Stein gewordene Bösewicht am Ende, wenn er die Blume in der Hand hält? Irene Wellershoff meint, dass man dies so interpretieren kann: Die Blume sei sozusagen ein Symbol der guten Seite und würde dem Bösen dadurch Unheil bringen. Dadurch bewirke sie einen Auflösungszauber.
Eine Chatteilnehmerin merkt an, dass einige Symbole in „Der Zauberlehrling“ an andere Märchenstoffe erinnern, z.B. an „Jorinde und Joringel“ oder an die DEFA-Verfilmung des Storm-Märchens „Die Regentrude“.
Frau Wellershoff meint, dass man auf jeden Fall noch einmal in Tschechien drehen wolle. Die Erfahrungen dort seien sehr gut gewesen: Tolle Landschaften, sehr gute Teams, riesige Kostümfundi.
Rick Krawetzke fragt, ob man beim Drehbuch schon vorher einen Schauspieler/eine Schauspielerin für eine Rolle im Kopf habe, oder dies beim Casting vielmehr offen lasse. Werden etwa auch diverse Schauspieler, die man für die Rollen gern hätte, direkt angeschrieben? Einige Chatteilnehmer sind sich darin einig, dass Henriette Confurius eine überzeugende Darstellerin in Märchenfilmen abgibt. Wellershoff entgegnet, dass das Casting unterschiedlich verlaufe. Die sehr jungen Schauspieler würden immer gecastet, weil sie oft noch nicht viel gespielt hätten. Andere Darsteller hingegen kenne man so gut, dass sie für die Rollen direkt angefragt würden. Z.B. hatte Frau Wellershoff Rübezahl-Darsteller Sabin Tambrea schon während des Schreibprozesses vor Augen. Berühmte Schauspieler hingegen seien oft ausgebucht oder würden nur mit bestimmten Produktionsfirmen zusammenarbeiten wollen (oder nur Kino machen), was deren Anfrage erschwere.
Frau Wellershoff stellt die Frage in den Raum, wie den Chatteilnehmern denn das neue Bild des Rübezahl gefallen habe. Eine Chatteilnehmerin merkt an, dass es ihr Schwierigkeiten bereitet hätte, sich vom alten bärtigen Bild der Rübezahl-Figur zu lösen – vielmehr sei ja Sabin Tambrea in der Rolle des Rübezahl ein Gestaltwandler gewesen. Wellershoff meint, dass man für die Inszenierung einer Liebesgeschichte nicht den alten, rumpeligen Rübezahl abbilden hatte wollen; außerdem stehe in den Sagen nirgendwo, wie alt er ist.
Einigen Chatteilnehmern ist aufgefallen, dass einige Darsteller aus dem ZDF-Film „Das kalte Herz“ wieder im „Rübezahl“-Film auftauchen. Das empfinde man jedoch nicht als Problem.
Einem Chatteilnehmer fällt auf, dass man mit den Verfilmungen von Balladen und Sagenkreisen sich langsam loslöse von den klassischen Märchenverfilmungen (Grimm, Hauff, Bechstein, Andersen) – bedeute dies eine Märchenfilm-Wende? Wellershoff meint, dass die berühmten Titel inzwischen alle gemacht seien, was aber auch Vorteile habe. So wäre man freier, neue Entdeckungen zu machen.
Rick Krawetzke merkt an, dass er doch gern ein berühmteres Märchen wie „Schneewittchen“ oder „Frau Holle“ vom ZDF durch Frau Wellershoff verfilmt sehen wolle.
Frau Wellershoff informiert darüber, dass das ZDF gerade einen Animationsfilm von „Die Heinzelmännchen“ fürs Kino produziert.
Frau Wellershoff führt die Diskussion noch einmal zurück auf die „Rübezahl“-Verfilmung: Dabei merkt sie an, dass man ein anderes Filmkonzept beim Schreiben des Drehbuchs vor Augen hatte. Der Zuschauer solle die Geschichte nicht erklärt bekommen, auch nicht gezeigt. Er solle vielmehr den Eindruck haben, die Geschichte hautnah mitzuerleben – dafür benötigte man teilweise längere Szenen.
Frau Wellershoff informiert zudem darüber, dass Sabin Tambrea ein talentierter Violine-Spieler ist, der dafür als Jugendlicher mehrere Preise gewonnen habe. Auch lobt Wellershoff den Kameramann Ngo The Chau. Er habe sich viel einfallen lassen, habe perfekt mit dem Licht gearbeitet sowie mit Drohne und visuellen Effekten im Film von „Rübezahl“. Regisseur und Kameramann hätten großartig zusammen gearbeitet, aber nicht nur sie – alle Gewerke (z.B. auch der Schnitt).
Ein Chatteilnehmer interessiert sich dafür, welche Sagen aus dem Rübezahl-Kreis konkret in den Film übernommen wurden. Wellershoff merkt an, dass man keine Sage direkt so übernommen habe wie im Original. Einige jedoch könne man im Film wiedererkennen: Das Kegelspiel, Picknick auf dem Berg, Armenhochzeit, die ausbeuterische Adelige, die den armen Leuten sogar das Reisigsammeln verbietet und dafür von Rübezahl bestraft wird. Das Motiv der Springwurz stamme allerdings aus anderen Sagen. Die Liebesgeschichte Rübezahl-Rosa-Erik stamme aus der Feder des ZDF. Man hätte zudem einen tschechischen Koproduzenten gehabt, weshalb man mit einem tschechischen Team gearbeitet habe: Claire Dowling, die Cutterin, hätte schon „Die weiße Schlange“ geschnitten und Stefan Maria Schneider schon mehrere ZDF-Filme komponiert, z.B. „Die Schöne und das Biest“.
Frau Wellershoff merkt an, dass es nicht einfach gewesen sei, in der Drehbuchentwicklung eine Trennung von Rosa und Rübezahl zu beschreiben, ohne dass der Schluss traurig würde – sie stellt die Frage in den Raum, ob dies auf die Zuschauer auch so gewirkt hätte. Die Chatteilnehmer sind sich darin einig, dass beiden (Rübezahl und Rosa) klar war, dass ihre Liebe keine Zukunft gehabt hat und die gewünschte Wirkung somit erzielt worden ist. Die Idee mit der fantastischen Goldhöhle, so Wellershoff, stamme von Stefan Bühling, dem auch das weiße Kostüm für Rübezahl eingefallen war.
Irene Wellershoff äußert sich zur tschechischen Neuverfilmung von „Die sieben Raben“: Diese Verfilmung habe sie interessant gefunden, vor allem den ersten Teil.
Anschließend äußert sich Frau Wellershoff dazu, warum es 2017 keine Vorpremiere im Kino gegeben habe: Für „Rübezahl“ hätte dies keinen Sinn gehabt, denn das Geld sei in eine Presseagentur investiert worden und dadurch hätte man so viele Pressebesprechungen wie noch nie für den Film gehabt. Rick Krawetzke merkt an, dass er dies sehr gut fand: So sei Sabin Tambrea gleich zweimal im TV in Sendungen zwecks „Rübezahl“ zu sehen gewesen, auch sei ein eigener Song zum Film gemacht worden, was es so noch nie vor der Ausstrahlung eines Märchenfilms gegeben hätte.
Irene Wellershoff informiert darüber, dass das ZDF bereits an zwei neuen Stoffen arbeite – einen mit dem MDR/Kinderfilm, der andere mit der Provobis. Ob beide bis Weihnachten 2018 fertig würden, bezweifle sie, aber einer bestimmt. Es handle sich wieder um zwei Grimmsche Märchen.
Wellershoff merkt an, dass die Tschechen eine großartige Märchentradition hätten – dort würden die Märchen sogar im Kino funktionieren. Auch „Rübezahls Schatz“ wird dort im Kino gelaufen. Ob sich die Tschechen mit dem neuen Rübezahl-Bild anfreunden können, sei eine spannende Frage.
Frau Wellershoff informiert darüber, dass der Ansatz bei den Märchenverfilmungen immer der wäre, jedesmal besser zu werden, weiter zu gehen, Neues zu machen. Man werde nämlich schlechter, wenn man immer wieder versuche, „in denselben Fluss zu steigen“. Leider wären die finanziellen Mittel von Jahr zu Jahr nicht mehr geworden. Aber die Drohnentechnik würde in jedem Fall immer besser.
Irene Wellershoff stellt die Frage in den Raum, wie den Chatteilnehmern der Sturm gefallen habe im „Rübezahl“ sowie der Sprung in die Tiefe zu Beginn des Films. Die Chatteilnehmer waren davon sehr angetan.
Frau Wellershoff merkt an, dass es in der Drehbuchentwicklung von „Rübezahl“ besonders schwer gewesen sei, den ersten roten Faden zu finden nach der Lektüre von hundert Sagen. Auch sei das Wetter beim Dreh problematisch gewesen: eiskalt, windig, Schnee und dann wieder sehr heiß. Die Idee mit der Filmmusik von Oonagh sei von dem neuen Produzenten Jens Susa gekommen.
Ein Chatteilnehmer möchte abschließend noch wissen, ob für die beiden Märchenfilme von 2017 schon ein Veröffentlichungstermin auf DVD feststehe. Wellershoff verneint.
Am Ende bedanken sich die Chatteilnehmer bei Frau Wellershoff für das interessante Gespräch und Wellershoff dankt ihrerseits für die Aufmerksamkeit der Chatteilnehmer und die neugierigen Fragen. Für sie sei es hilfreich, die Meinung von Zuschauern zu kennen, die sich so intensiv mit Märchenfilmen auseinandersetzen.
ENDE
Text: Marcel Zischg
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